Deutsches transnationales Kino


MINIONA -

Uniwersytet Łódzki, Instytut Filologii Germańskiej
Częstochowa, ul. Zbierskiego 2/4

Inspiriert durch Andrew Higson, der behauptete: „The cinemas established in specific nation-states are rarely autonomous cultural industries and the film business has long operated on a regional, national and transnational basis“ (Higgson 2000: 61), möchten wir zu einer kritischen Reflexion über die Transnationalität des deutschsprachigenen Kinos einladen.

Filme zirkulieren heute verstärkt zwischen den Ländern und Nationen; auch in der Filmwissenschaft hat sich eine transnationale Ausrichtung etabliert. Davon zeugen u. a. neue Forschungszweige (z. B. generic studies), die Entstehung neuer wissenschaftlicher Fachzeitschriften wie Transnational Cinemas und Verbände sowie zahlreiche Publikationen zu Genres, Filmstars, zur Exilfilmproduktion und zur internationalen Resonanz national orientierter Filme. Das Kino in Deutschland, Österreich und in der Schweiz ist in dieser Hinsicht keine Ausnahme. Autor:innen der Sonderausgabe der Zeitschrift Montage AV betonen, dass der Begriff der Transnationalität im Film eine sehr lange Geschichte hat (Fuhrmann, Kuhn und Köhler 2019). Auch in früheren Publikationen scheint eine „transnationale Bewegung“ in der deutschsprachigen Filmgeschichte eher ein Prinzip als eine Ausnahme zu sein (Bergfelder, Carter, und Göktürk 2002). Seitdem versuchten verschiedene Autor:innen, die Verbindungen und Verflechtungen zwischen in- und ausländischen Filmmärkten zu erforschen.

Solche Verbindungen betreffen nicht nur die traditionell begriffenen internationalen Koproduktionen, sondern auch den Einfluss des deutschsprachigen Kinos auf Narrative und Ästhetiken von Filmen in anderen Ländern, oder neue Blicke auf Stereotype des Deutschen, Österreicher und Schweizer im deutschen, österreichischen und schweizerischen sowie im internationalen Film. Ein weiterer Forschungsschwerpunkt scheint das Problem der Vermarktung der eigenen Leistungen innerhalb der Filmindustrie zu sein. Erforscht wird dabei eine für ausländisches Publikum attraktive und wirksame Darstellung der eigenen (deutschen, schweizerischen oder österreichischen) Geschichte. Die Stärkung des eigenen Potenzials mittels der Filmproduktion bezieht sich ebenfalls auf die DDR, wo der nationale Stolz mit den Ambitionen auf internationale Sichtbarkeit einherging (Ivanova 2022: 2).

Da Filme in einem sozialen Kontext funktionieren, kann auch die Frage nach ihrer Rezeption gestellt werden. Sicher ist, dass die Resonanz von Pressestimmen, Zuschauerzahlen, Einschaltquoten, Medienberichten, gesellschaftlichen und politischen Kontroversen und vielen anderen medial vermittelten Ereignissen abhängt (Ebbrecht-Hartmann, 2020). Angesichts der Entwicklung von neuen Technologien, Social-Media, Streamingportalen sowie der steigenden Bedeutung des Zuschauer:innen- und Filmfans-Engagements weltweit muss man die Frage der internationalen Rezeption neu verhandeln.

Nicht zuletzt kann die Transnationalität des Kinos auch aus der Perspektive der Filmemacher:innen mit Migrationshintergrund analysiert werden. Unübersehbar ist die Präsenz der Vertreter:innen von türkischen, arabischen, polnischen, ukrainischen u.v.a. nationalen und ethnischen Minderheiten in der Produktion der deutschsprachigen Filme. Dies bezieht sich u.a. auf die neuesten Filmadaptationen der deutschsprachigen Prosa, wie z.B. Berlin Alexanderplatz (2020) oder Transit (2018), die auf den Migrationsdiskurs reagieren und damit ein „Ort der Produktion und Zirkulation von Diskursen“ Casetti 2005) werden.

Auf unserer Tagung möchten wir eine möglichst breite und inklusive Herangehensweise an die Frage des nationalen/transnationalen deutschen Kinos vorschlagen. Das Ziel der Tagung ist es, eine kritische Reflexion über die transnationale Dimension des deutschsprachigen Kinos anzuregen. Es bieten sich folgende Themenschwerpunkte:

-          Image des deutschen, österreichischen und schweizerischen Kinos im Ausland

-          Rolle der nationalen Klischees in ihren Selbstdarstellungen

-          Debatten um deutschsprachige Filme im Ausland – internationale Rezeption des deutschsprachigen Kinos

-          Internationale „Beiträge” zum und Auseinandersetzungen mit dem deutschen / deutschsprachigen Film

-          Große internationale deutschsprachige Erfolgsserien im Streaming (z. B. Ku’Damm, Dark, 1899, Unorthodox, Babylon Berlin, Barbaren, You Are Wanted)

-          Rolle der deutschsprachigen Filmstars und „typisch deutschen“ Genres bei der Etablierung einer starken Position des nationalen Kinos in internationalen Rezeptionskontexten

-          Deutscher Film an den Grenzregionen – neueste deutsche Koproduktionen mit den Nachbarländern

-          Gemeinsame vs. getrennte filmische Erzählstrategien über die Geschichte der deutschsprachigen Länder mit Polen, Frankreich und anderen Nachbarländern

-          Mitfinanzierung der deutschsprachigen Filme durch ausländische Fonds sowie Mitfinanzierung ausländischer Produktionen durch deutsche, österreichische und schweizerische Filmfonds

-          Kino mit Migrationshintergrund

-          Verfilmungen deutschsprachiger Literatur im Ausland

Wir bitten um Abstracts (max. 250 Wörter) für einen 20-minütigen Vortrag inkl. einer kurzen biographischen Notiz mitsamt Kontaktdaten bis zum 30. September 2023 an jakub.gortat@uni.lodz.pl oder joanna.bednarska@uni.lodz.pl. Die Entscheidungen über die Akzeptanz des Themenvorschlags werden bis zum Ende Oktober 2023 geschickt. Nach der Akzeptanz der jeweiligen Vortragsvorschläge bitten wir um Entrichtung der Konferenzgebühr in Höhe von 300 zł (70 EUR). Die Organisator:innen kommen für die Kosten der Übernachtung auf (zwei Nächte mit Frühstück) sowie für eine warme Mahlzeit jeden Tag. Die Tagungssprachen sind Deutsch und Englisch.

Die Organisator:innen planen eine Publikation von ausgewählten Tagungsbeiträgen in einem renommierten Verlag.

Auswahlbibliographie

Bergfelder, Tim; Carter, Erica und Deniz Göktürk (Hg.). The German Cinema Book, London: British Film Institute, 2002.

Carbó-Catalan, Elisabet und Diana Roig-Sanz (Hg.). Culture as Soft Power. Bridging Cultural Relations, Intellectual Cooperation, and Cultural Diplomacy, Berlin/Boston: De Gruyter, 2022.

Casetti, Francesco. “Adaptation and Mis-adaptations: Film, Literature, and Social Discourses,” tłum. A. Raengo, w: A Companion to Literature and Film, red. R. Stam, A. Raengo, Oxford: Blackwell Publishing, 2005, 81-91.

Ebbrecht-Hartmann, „Media resonance and conflicting memories: Historical event movies as conflict zone,” Memory Studies, Erstveröffentlichung online, 27. Februar 2020, https://journals.sagepub.com/doi/abs/10.1177/1750698020907948.

Flicker, André and Xan Holt, “German Netflix Culture,” The Germanic Review: Literature, Culture, Theory no. 97 (3/2022): 211-218.

Fuhrmann, Wolfgang; Kuhn, Marius; und Kristina Köhler, „Transnationale Perspektiven,“ montage av. Zeitschrift fur Theorie und Geschichte audiovisueller Kommunikation, 28. Januar 2019, 1-20.

Großmann, Rebecca. Moving Memories. Erinnerungsfilme in der Trans-Nationalisierung der Erinnerungskultur in Deutschland und Polen, Köln: Böhlau, 2021.

Heiduschke, Sebastian. “Co-Producing World Cinema: Germany and Transnational Film Production,” in Transnational German Studies, Hg. von Rebecca Braun und Benedict Schofield, Liverpool: Liverpool University Press, 2020, 133-150.

Higson, Andrew. “The limiting imagination of national cinema,” in Cinema and Nation, Hg. von Mette Hjort and Scott MacKenzie, London-New York, 2000, 57-68.

Nickl, Benjamin; Herrschner, Irina und Elżbieta M. Goździak (Hg). Transnational German Cinema. Encountering Germany Through Film and Events, Cham: Springer, 2021.

Strobel, Ricarda und Andreas Jahn-Sudmann. Film transnational und transkulturell. Europäische und amerikanische Perspektiven. München: Fink, 2009.

Watroba, Karolina. “Guy Maddin’s Careful and the Mountain Film: A Transnational Approach to German Film History,” New German Critique, no. 49 (2/2022): 133-160.






Aktualizacja:  2023-07-04